Mittwoch, 4. November 2009


Der Betriebsrat des wissenschaftlichen Universitätspersonals
an derUniversität Wien zur Protestbewegung an den österreichischen
Universitäten:


Der Protest der Studentinnen und Studenten an Österreichs
Universitätenbesteht zu Recht! Man muss der Protestbewegung
grundsätzlich Dank und Anerkennung aussprechen, weil es ihr gelungen
ist, in der Öffentlichkeit eine Diskussion über die Mängel der
Bildungs- und Forschungspolitik zu initiieren, die nicht nur von
den Medien positiv wahrgenommen wird, sondern auch die Politik dazu
zwingt, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen.

* 2004 wurden die Universitäten mit dem UG02 ausgegliedert, ohne
ihnen die dazu nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Vielmehr
ging die Ausgliederung mit einem Sparpaket einher und man ist vom
Sparkurs bis heute nicht abgegangen. Die Folge ist, dass die
Studienbedingungen in etlichen Fächern mittlerweile derartig
schlecht geworden sind, dass ein sinnvolles Studieren nicht mehr
möglich ist.

* Die Proteste richten sich nicht nur gegen die Verknappung der
Mittel, sondern auch gegen die Folgen eines Universitätsgesetzes,
das zu einem Verlust von Mitbestimmung und Mitgestaltung
geführt hat.

* Dass Universitäten seit jeher die Gesamtheit von Lehrenden und
Studierenden sind, gilt nicht länger. Studierende und Lehrende
werden nur noch als Kostenfaktoren bzw. "Human Resources" verstanden.

* Zwar wird von Seiten der Politik und der Medien immer wieder die
Bedeutung von Bildung hervorgehoben; es scheint sich dabei
allerdings nur um "Employability" zu handeln und nicht um soziale
Kompetenzen und eine umfassende Bildung, die es den Absolventinnen
und Absolventen ermöglicht, positiv an der Entwicklung der
Gesellschaft unter sich stetig ändernden Bedingungen mitzuwirken.

* Politik und Sparpakete haben auch dafür gesorgt, dass immer mehr
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Universitäten nur noch
befristete Arbeitsverträge nach dem "Hire & Fire"-Prinzip erhalten,
die eine Lebensplanung unmöglich machen und auch der Qualität von
Lehre und Forschung abträglich sind.

* Die groß angekündigte Förderung junger Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler mit besseren Anfangsgehältern wurde dadurch
unterlaufen, dass es aus Einsparungsgründen lediglich
Teilzeitbeschäftigungen gibt.

* Der Bologna-Prozess mit seiner Dreiteilung des Studiums wurde als
"Quantensprung" für die Schaffung eines europäischen Forschungs- und
Bildungsraumes verkauft. Tatsächlich hat dieser Prozess für eine
dramatische Verschulung der Studien gesorgt, hat das Wechseln
zwischen Universitäten sogar erschwert und die Frage nach dem
Nutzen des Bakkalaureats offen gelassen.

Die Universitäten brauchen jetzt genügend Mittel und nicht Almosen,
um ihrer Aufgabe nachzukommen. Das gegenwärtige Kaputtsparen schadet
der Gesellschaft und vernichtet unsere Zukunft.

Es sind Studienbedingungen herzustellen, die das Weiterkommen der
Studierenden sicherstellen und ihnen auch die Möglichkeit einräumen,
eineumfassende Bildung zu erwerben.

Wir brauchen wieder mehr Demokratie an den Universitäten! Nur wenn
Studierende, Lehrende und Forschende die notwendige Entwicklung der
Universitäten verantwortlich mitgestalten können, tragen sie diese
Entwicklung auch mit.

Eine universitätsgerechte Personalstruktur mit attraktiven,
leistungsgerechten Stellenangeboten ist die einzige Garantie für
eine positive Weiterentwicklung unserer Universitäten.

Der Bologna-Prozess ist zu hinterfragen und die extreme Verschulung
der Studien aufzugeben. Die derzeitige Situation verhindert die
Aus- und Heranbildung verantwortungsbewusster und selbstständig
denkender Absolventinnen und Absolventen.

Wir ersuchen alle Kolleginnen und Kollegen, diese Forderungen
mitzutragen und die Studierenden bei ihren Protestaktionen zu
unterstützen.



Meine Damen und Herren vom Betriebsrat:

  • Sie haben grundsätzlich Recht mit Ihrer Stellungnahme
  • Es ist sehr billig auf den Zug einer von den StudentInnen initiierten Protestbewegung zu einem Zeitpunkt aufzuspringen, wo die Ernsthaftigkeit dieses Protests sich inzwischen bis zur Regierung herumgesprochen haben dürfte.
  • Jenen Zustände, die die Studenten zu Recht beklagen, sind auch die Angestellten seit Jahr und Tag ausgesetzt - überfüllte Hörsäle, mangelhafte Infrastruktur, nicht funktionierende Haustechnik in Laborsälen betrifft die Angestellten im selben Maße wie die Studierenden.

Ihr Protest in Ehren - leider mindestens 10 Jahre zu spät !
Jetzt aufspringen und verbale Solidaritätskundgebungen aussenden, ist eine dürftige Ersatzhandlung für Versäumnisse,
die offensichtlich nicht wahrgenommen werden konnten, oder besser gesagt, nicht wahrgenommen werden wollten !



1 Kommentar:

  1. da mögen sie recht haben, allerdings existierte vor mindestens 10 jahren noch gar kein betriebsrat, weil erst das ug 2002 die universtäten dem arbvg unterwarf.
    und: selbstverständlich kann man in ALLEN aktionen ein billiges "aufspringen" sehen, wenn man es denn sehen will. ein allgemeineres positiveres weltbild verhilft aber ehrlich zu einem zufriedenerem leben! probieren sie es einmal. ;)

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